Der offene Brief Rafael Kowolliks hat in den letzten Tagen für Wirbel gesorgt. Dieser forderte die Träger der Regionalliga Südwest und der untergeordneten Oberligen auf, die Auf- und Abstiegsregellungen der laufenden, beziehungsweise abgebrochenen, Saison 2020/21 zu überdenken.
Der Tabellenzweite der Oberliga Baden-Württemberg, der SV Stuttgarter Kickers, widerspricht diesem nun in aller Deutlichkeit und erhebt teilweise schwere Vorwürfe gegen den Ligasprecher der Regionalliga Südwest, dem unter anderem Neid und Populismus angelastet werden.
Hier der Originalton:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Erstaunen haben wir den „Offenen Brief“ des Herrn Raphael Kowollik (Geschäftsführer des FC Homburg und Ligasprecher der Regionalliga Südwest) gelesen, der uns ratlos zurücklässt.
Die wichtigste Frage vorab:
Herr Kowollik schreibt „in meiner Eigenschaft als Ligasprecher trete ich im Namen des Großteils der Vereine.an Sie heran ….“ Was heißt das? Für wen spricht Herr Kowollik? Großteil? Spricht er nur für die Vereine, die vom Abstieg bedroht sind? Spricht er für die Liga? Oder spricht er auch für die vier Vereine, die nach dem Abbruch der letzten Spielzeit auf der Grundlage einer Entscheidung der Verbände „am grünen Tisch“ aufgestiegen sind? Spricht er auch für seine Gesellschafterversammlung? Kennt Ronny Zimmermann, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung und Vizepräsident des DFB, diesen Brief? Solange diese wichtigen Fragen nicht beantwortet sind, gehen wir davon aus, dass hier bewusst ein falsches Bild gezeichnet werden soll. Denn ein Ligasprecher kann ganz sicher nur für die gesamte Liga sprechen – oder aber für seinen eigenen Verein. Aber niemals polemisch für „einen Großteil der Vereine“. Auch wenn er selbst Geschäftsführer eines selbst betroffenen Vereins ist.
Solange dies nicht geklärt ist, wollen wir auch gar nicht auf inhaltliche Dinge eingehen. Nur so viel: Allen Regionalligisten war beim Saisonstart am 5. September 2020 bewusst, unter welchen Regularien sie diese Saison spielen. Nämlich, dass sechs Vereine absteigen werden. Und dies vor allem, weil die Regionalliga beim Abbruch in der vergangenen Saison entschieden hatte, auf Absteiger zu verzichten. Aber nachdem jetzt sieben Monaten gespielt wurde, überlegt es sich „ein Großteil der Vereine“ plötzlich anders, weil er von der derart festgelegten Abstiegsregelung bedroht ist? Diese „Regel“ könnte man jetzt natürlich beibehalten und alljährlich im April solche Briefe versenden, weil sich immer ein Großteil der Vereine finden wird, der gegen den Abstieg stimmt – weil er selbst betroffen sein könnte. Aber das hätte dann nichts mehr mit den Regeln des Fußballs in Deutschland und ebenso wenig mit dem in dem „offenen Brief“ ins Feld geführten Leistungsgedanken zu tun, sondern eher mit der Etablierung eines „closed shop“. Zu dessen Rechtfertigung wird in dem Brief bezeichnenderweise nicht auf sportliche Kriterien Bezug genommen, sondern auf die Einstufung der Regionalliga Südwest durch die Politik als Profiliga, was auch sportlich „als Referenz“ für die Festlegung eines „Cuts bei Auf/Abstieg“ zu interpretieren sei.
Was uns aber erzürnt, ist der populistische Hinweis eines Ligasprechers auf den „billigsten“ Aufstieg, „finanziert mit stattlichen Förderungen inkl. 10 Monaten Kurzarbeit“. Ob stattlich oder staatlich gemeint ist, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Aber dies macht uns betroffen. Wenn dies der Umgangston unter Fußballvereinen sein soll, dann geht unser Sport ganz schwierigen Zeiten entgegen. Alle Fußballvereine, von der Bundesliga bis zur Kreisliga C, von der U19 bis zu den Bambinis, durchleben gerade die schwierigste Zeit des Fußballs. Da ist es wenig zielführend, wenn eine Liga den anderen Vereinen Förderungen oder Kurzarbeitergeld öffentlich neidet. Wir von den Stuttgarter Kickers tun alles, um unseren Spielbetrieb und unser Nachwuchsleistungszentrum, wo wir Jugendspieler auf höchstem Niveau ausbilden, am Leben zu halten. Wir wären jedenfalls heilfroh, wieder im normalen Umfang am Spielbetrieb teilnehmen zu können statt (auch) auf Förderungen und Unterstützungen angewiesen zu sein. Auch wenn sich der Angriff des Ligasprechers wohl vorrangig auf die mögliche Regelung des Aufstiegs in die 3. Liga bezogen hat, sind solche Anwürfe generell nicht akzeptabel und wir können uns nicht vorstellen, dass hiermit die Haltung der Vereine der Regionalliga Südwest zum Ausdruck gebracht wird. Zumal es gerade einmal einen Monat her ist, dass die sechs baden-württembergische Regionalligisten einen sogenannten „Brandbrief“ an Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann geschrieben haben mit der Bitte um staatliche Förderung.
Kurz zusammengefasst: Wir bitten die Regionalliga Südwest erst zu klären, wer für wen spricht, bevor offene Briefe verschickt werden, die suggerieren, sie wären im Namen der Liga. Wir appellieren zudem an die Gesellschafterversammlung der Regionalliga auf ihre Vereine einzuwirken, auch in schwierigen Zeiten Respekt und Fairness beizubehalten. Zu einem Dialog sind wir immer gerne bereit.
SV Stuttgarter Kickers
– Prof. Dr. Rainer Lorz –
Präsident