Rafael Kowollik, seines Zeichens Sprecher der Regionalliga Südwest, hat sich in einem offenen Brief an die Verantwortlichen der Regionalliga Südwest GbR, der Hessenliga, der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar und der Oberliga Baden-Württemberg gewandt.
Im Namen einiger Vereine kritisiert er die beabsichtigten Auf- und Abstiegsregelungen der jeweiligen Verbände und appelliert daran, eine alternative Lösung zu finden.
Hier der Brief in voller Länge:
Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Sportkameraden,
in meiner Eigenschaft als Ligasprecher trete ich im Namen des Großteils der Vereine der Regionalliga Südwest an Sie heran, um auf den Missstand im Bezug auf die beabsichtigte Abstiegsregelung zwischen unserer Regionalliga einerseits und den geplanten Aufstiegsregelungen der drei Oberligen Rheinland-Pfalz/Saar, Baden-Württemberg und Hessen hinzuweisen.
Genauso verhält es sich im Übrigen mit der wohl durch die regionalen Verbände geplanten
Aufstiegsregelung aus den jeweiligen Regionalligen in die 3. Liga. Aus sicher nachvollziehbaren Gründen herrscht reger Unmut über die Unverhältnismäßigkeit, dass
Mannschaften mit teilweise nur 8 ausgetragenen Spielen aus den Oberligen oder Regionalligen (Nordost, Nord und Bayern) aufsteigen sollen, während hingegen 6 unserer Teams mit 42 absolvierten Spielen in einer noch nie da gewesenen Rekordsaison absteigen müssten oder eben als Tabellenzweiter der Regionalligen West und Südwest nicht aufsteigen.
Wir möchten hier einige Fakten und Argumente anführen, die aus den Vereinen heraus entstanden sind. Hierbei handelt es sich einerseits um rein rechtliche und strukturelle Punkte, aber andererseits und insbesondere auch um Aspekte, die unter dem Gerechtigkeitsempfinden und „Charakter“ unseres Sports zu betrachten sind.
„Ungerechtigkeit“: Es stößt auf breites Unverständnis, dass am Ende einer Mammutsaison mit 42 Ligaspielen im Juni 2021 sechs Vereine direkt aus der RL Südwest absteigen müssen, während drei oder gar vier Vereine aus den darunterliegenden drei Oberligen bzw. deren Teilstaffeln auf Basis einer Rumpfsaison mit nur zwei Monaten Spielbetrieb (Ende August bis Ende Oktober 2020) mit nur 8, max. 13 Spielen Aufsteiger benennen und evtl. gar am „am grünen Tisch“ aufsteigen!
Ebenso ist es extrem ungerecht und fragwürdig, wenn ein Verein möglicherweise als Tabellenzweiter mit 80 Punkten plus nach 42 ausgetragenen Spielen und einem enormen finanziellen Kraftakt nicht in die 3. Liga aufsteigt, während gleichzeitig beispielsweise Viktoria Berlin nach 11! ausgetragenen Spielen aus der Nordoststaffel aufsteigen soll, obwohl sich dort alle Vereine laut der veröffentlichten Pressemitteilung freiwillig auf einen Abbruch der Saison geeinigt haben. Das dürfte dann der
,,billigste“ Aufstieg aller Zeiten gewesen sein finanziert mit stattlichen Förderungen inkl. 10 Monaten Kurzarbeit.
Konsistenz: Das coronabedingte Verbot des Amateursports führte Ende Oktober 2020 zu einer Saisonunterbrechung und nun (höchstwahrscheinlich) im April 2021 zu einem Saisonabbruch. Da weniger als 50% des Spielklassenbetriebes durchgeführt werden konnten, annullieren die regionalen Fußballverbände – gemäß Ihrer zugrundeliegenden Satzungen – die Saison. Für alle Amateurspielklassen – von der Verbandsliga bis zur C-Klasse – gibt es mangels Wertung weder Absteiger noch Aufsteiger. Warum werden ausgerechnet für die jeweilige Oberligen und
Regionalligen fragwürdige Ausnahmen gemacht?
Rhetorische Frage: Wenn auch die RL Südwest den Spielbetrieb unterbrochen bzw. abgebrochen hätte, bevor 50 % der Spiele absolviert worden wären, würden alle 22 Vereine satzungsgemäß in der Liga verbleiben – auch der Erstplatzierte! Frage: Würden wir dann mit vier Oberligaaufsteigern in der nächsten Saison mit 26 Mannschaften spielen?
Prüfung der Satzungen: Es ist wohl grundsätzlich so, dass in den Satzungen, z. B. des WFV (für die OL BW) und des HFV (für die Hessenliga) geregelt ist, dass bei einem Saisonabbruch unter einer „50%- Spielquote“ die Saison annulliert wird, d. h. die Saison wird nicht gewertet. Für die OL BW wurde für die neue Spielordnung bewusst die Formulierung „… wird es in der Regel keine Auf-/Absteiger geben…“ gewählt. In anderen Satzungen gibt es wohl ähnliche „Hintertürchen“. Das ist gelinde gesagt
sehr fragwürdig. Die Satzung der RL Südwest enthält als Einzige keine „clevere“ Rückfallebene.
Sportpolitik im Eilverfahren oder Bewahrung eines Wertekanons im Fußball: Ein Verband prescht vor (FRVS) und benennt einen Verein als RL-Aufsteiger. Die anderen Oberligaträger ziehen in bestmöglicher Dehnung Ihrer Satzungen nach, um Ihre Rechte zu wahren. Und dies, obwohl Verbandsvertreter – wie die drei an der OL BW beteiligten Verbände – die Ansicht vertreten, dass es keine Aufsteiger geben sollte. Sie sehen sich aber im Sinne der Gleichbehandlung gezwungen, diese zu stellen, wenn aus anderen Verbänden auch Aufsteiger benannt werden. Das ist ein durchaus fragwürdiger Prozess. Es erweckt der Anschein, dass hier funktionärsbetriebene Sportpolitik regiert,
nicht der Fußball mit seinen propagierten Werten (u. a. Leistungsgedanke, Fairness, Respekt).
Systemfehler: Es ist mehr als diskussionswürdig, wenn die Oberligaträger für Ihre OL-Vereine alleine die Entscheidung über Wertungen und Aufsteiger treffen können (und Ihnen dabei natürlich möglichst Gutes tun wollen). Gleichzeitig sind diese Verbände aber auch noch die Gesellschafter der Regionalliga Südwest GbR, in der sie die Interessen der RL-Vereine zu vertreten haben! Die Regionalliga Südwest könnte Aufsteiger ablehnen. Vertreten deren Gesellschafter dort nun die RLInteressen oder unterliegen sie in „Personalunion“ nicht einer objektiven, inakzeptablen Befangenheit?
Neubewertung: Bezüglich der 6 Absteiger muss man klarstellen, dass die Liga dies vor Runde gewusst hat. Allerdings gehörte diese ebenfalls wie die restlichen Amateurligen nicht zu denen in der CoronaVO ausgeführten Ausnahmen. Es war daher davon auszugehen, dass die RL Südwest und auch die darunter spielenden Oberligen entweder alle spielen oder eben nicht. Durch das Verbot des Amateursports und gleichzeitiger Legitimierung der Fortführung des Regionalligaspielbetriebs hat sich eine völlig neue Situation ergeben, die neu bewertet werden muss.
Profiliga: Durch die Einstufung der Politik der RL Südwest als Profiliga, ist hier ein klarer Schnitt festgelegt worden. Dies dürfte somit auch sportlich als Referenz interpretiert werden und hier ein Cut bei Auf-/ Abstieg festgelegt werden.
Angesichts der aktuellen Situation, die die Regionalligastaffeln Nord, Nordost und Bayern selbst herbeigeführt haben, kann es dort nur zu Annullierungen der Saison 2020/2021 kommen. Die aufgeführten Auffassungen werden im Übrigen auch von Oberligisten geteilt.
Wir bitten Sie, vorgenannte Aspekte zu be- und auch zu überdenken.
Weiterhin bitten wir, um eine Stellungnahme zu den vorgenannten Punkten. Sicher wäre hier auch eine Präsenzveranstaltung (unter dem beruflichem Aspekt möglich) durchaus sinnvoll.
Zuletzt weiße ich darauf hin, dass bereits vereinzelt Vereine sich rechtlichen Beistand genommen
haben und erforderlichenfalls rechtliche Schritte in Erwägung ziehen.
Mit sportlichen Grüßen
Rafael Kowollik
Ligasprecher