Interview mit dem einsamen Fan aus Großaspach

Foto: © Fanfoto
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Vor knapp einem Monat zeigten wir euch ein Foto von einem einsamen Fan der SG Sonnenhof Großaspach, auswärts unterwegs beim 1. FSV Mainz 05. Dieses Foto kam mehr als positiv an, bekam sogar die Aufmerksamkeit von „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“. Viele fragten sich: „Wer ist der einsame Auswärtsfan?„. Uns stand Franky gerne für ein Interview bereit.

Redaktion: Wie lange bist Du schon Sonnenhof-Fan und/bzw. wie lange bist Du schon auswärts unterwegs?

Dies ist wirklich eine gute Frage. Ich komme ursprünglich 1 KM von Großaspach entfernt und verfolge das Geschehen schon seit Beginn an also sprich nach der Fusion zwischen der Spvgg Großaspach und Sonnenhof Kleinaspach im Jahr 1994. Intensiver seit dem Aufstieg in die Regionalliga 2009 und in die 3. Liga 2014. Da ich viele Jahre in Hamburg gelebt habe konnte ich den Verein nur zu Auswärtsspielen in der 3. Liga begleiten. Zuerst von dort aus nahem Ziel wie Kiel, Rostock, Osnabrück, Bremen 2 danach bundesweit. Ich war in allen Stadien der 3. Liga mit der SG unterwegs sowie nun auch zu Regionalligazeiten da ich wieder in Baden-Württemberg wohne (wenn auch 150KM entfernt von Großaspach).

Redaktion: Wie wurdest Du damals auf den „Dorfklub“ aufmerksam? In der Umgebung gibt es beispielsweise den VfB Stuttgart. Geht man da nicht eher hin?

Ich komme gebürtig aus der Nähe von Großaspach deshalb ist es für mich selbstverständlich seinen „lokalen“ Verein auch zu unterstützen. Natürlich tun wir uns als kleiner Verein, welcher zwischen 2 Bundesligisten (Hoffenheim und VfB) liegt, schwer Zuschauer für uns zu gewinnen. Nur wenn jemand einmal das „Dorfklub“-Fieber gepackt hat, den lässt es nicht mehr los. Der ganze Kommerz in der Bundesliga und wie sich der Fußball dort entwickelt hat interessiert mich nicht. Da ist es beim Dorfklub und in den unteren Ligen einfach anders. Zudem schmeckt bei die Stadionwurst noch nach Wurst und das Bier nach Bier…

Redaktion: Was fasziniert dich so sehr bei Sonnenhof Großaspach?

Das Familiäre sowie der Zusammenhalt im Verein ist etwas was mich begeistert. Niemand hat irgendwelche Starallüren und die Nähe zu den Spielern als auch dem Umfeld ist wirklich klasse. Wir haben mit bescheidenen Mitteln Jahr für Jahr viel erreicht, insbesondere in den 6 Jahren 3. Liga mit einem der kleinsten Etats Saison für Saison. Es ist uns immer gut gelungen junge, talentierte Spieler zu holen wie auch erfahrene Spieler welche bei uns nochmals durchstarten wollten. Leider kannst Du dann als kleiner Verein die Talente nicht dauerhaft halten und wir mussten viele gute Spieler gehen lassen z.B. Kevin Broll zu Dynamo Dresden.

Redaktion: Ist es üblich, dass Du allein auswärts unterwegs bist? Wie reagierten die Fans auf deren Heimtribünen? Wurde viel über dich gelacht/gespottet oder waren alle soweit freundlich zu dir?

In Kassel waren wir zu zweit vor Kurzem. Zu Drittligazeiten in der ersten Saison in Osnabrück nur der Fanbeauftragte und ich. In Magdeburg auch mal nur zu zweit und an einem Montagabend in Zwickau war ich ebenfalls der Einzige im Fanblock. In der Regel haben wir jedoch eine kleine aber feine Auswärtsfahrertruppe was für eine Gemeinde mit 8.000 Einwohnern ganz akzeptabel ist. Natürlich wird man vielmals belächelt wenn wir so wenige sind oder gar mal nur 2-3 Leute, aber so ist es halt. Für mich zählt nie die Masse an Fans, wie toll ein Verein oder eine Fanszene ist, sondern das Herzblut eines jeden Einzelnen was er für seinen Verein gibt und dass er zu ihm steht. Grundsätzlich waren soweit alle Heimfans sehr freundlich und ich wurde meistens nett empfangen bzw. hatte viele Small Talks vor und nach den Spielen. Dies ist ja auch das was Fußball ausmacht.

Redaktion: Was war dein schönstes Erlebnis bei der SG Sonnenhof?

Au weia, da gibt es so Einiges. Der Drittliga-Aufstieg und das Rückspiel bei Wolfsburg II mit dem 1:0 Siegtreffer durch Sahr Senesie ist sicherlich unvergessen. Der Klassenerhalt im vorletzten Drittligajahr mit 300 (!) mitgereisten Fans ins Südstadion bei Fortuna Köln und die Feier danach mit der Mannschaft in der Mannschaftskabine waren sicherlich einige Highlights. Aber auch das ausverkaufte Stadion im Heimspiel gegen Dynamo Dresden und der (unvoreingenommene) Empfang der Dresdner Fanszene durch die örtliche Blasmusik am Bahnhof war auch ein unvergessliches Erlebnis.

Redaktion: Wo fand deine schönste Auswärtsfahrt statt?

Auch hier gibt es mehrere Highlights. Meppen war immer schön, da sich hier für mich auch eine Fanfreundschaft zu einem Meppener Fan entwickelt hat, mit dem ich heute noch regelmäßig telefoniere. Nach dem Spiel haben wir in deren Vereinskneipe noch stundenlang mit Meppenern Fans gefeiert. So wenig musste ich glaube ich noch nie bezahlen da eine Runde nach der anderen ausgegeben wurde (ganz praktisch für einen Schwaben…). Auch nach Spielschluss (Ergebnis war ein 1:1 an einem Freitagabend) haben wir noch 30 Minuten lang, im leeren Stadion, die Mannschaft gefeiert. Das Spiel in Dresden, welches unter dem Motto „Großaspach macht die Hütte voll“ stand, war ebenfalls genial. Es gab einen gemischten Block in welchem wir mit Dresdnern Fans in einem Block waren. Oder beim ersten Auswärtsspiel in Dresden die Aktion mit dem Banner „könnt Ihr mal bitte 2 Minuten ruhig sein damit man uns auch mal hört“. Legendär auch das Spiel in Bielefeld bei welchem wir 5 Fans waren an einem Freitagabend und ein Banner dabei hatten „die anderen 10.000 müssen schaffen“. Auch das Auswärtsspiel in Cottbus welches wir, so glaube ich, 5:0 gewonnen hatten war ein Highlight. In Erinnerung auch ein Spiel in Osnabrück bei welchem wir etliche Pappschilder mit Strichmännchen drauf hatten sowie das Banner „Ausverkauft“. Ich denke für so eine kleine Fanszene haben wir viel bewegt und sind immer einfallsreich und kreativ an Aktionen und Ideen.

Redaktion: Der „Dorfklub“ spielte von 2014 bis 2020 in der dritthöchsten Liga. Danach erfolgte der erste Abstieg in der Vereinsgeschichte. Aktuell sieht es in der Südwest-Tabelle auch nicht gut aus. Wie hoch stehen die Chancen, dass Sonnenhof doch noch die Kurve kriegt und die Klasse am Ende halten kann?

Wir stehen als Vorletzter ja mit dem Rücken zur Wand. Also vor einigen Tagen hätte ich noch gesagt bei 30%. Nun haben wir Hans-Jürgen Boysen als Coach wieder geholt, welcher das Umfeld bei uns bestens kennt, sowie die „Wampe“ aus Giesing (lacht) was sicherlich ein zusätzlicher Motivationsfaktor für die sehr junge Mannschaft ist. Ich bin generell immer optimistisch und hoffe das wir die Klasse halten können. Das erste Spiel zu Hause gegen Schott Mainz ist bereits ein wegweisendes Spiel.

Redaktion: Wie groß ist die Angst, dass man am Ende doch absteigt? Wie würde es für den Club weitergehen? Steht, doof gefragt, sogar die Existenz des Vereins in Frage?

Von Angst würde ich nicht sprechen, aber Sorgen mache ich mir schon. Für mich wäre mal eine Aufarbeitung der letzten 2 Jahre im Verein wichtig. Leider hat seit geraumer Zeit, coronabedingt, keine Mitgliederversammlung und damit auch keine Aussprache stattgefunden. Unser Sportdirektor hat über Jahre hinweg mit Neuverpflichtungen immer ein glückliches Händchen gehabt, für die bescheidenen Mittel welche ihm zur Verfügung stehen. Die letzten beiden Saisons hat dies nicht mehr so funktioniert oder wir hatten teils auch zu wenig Charakterspieler im Team. Die Existenz des Vereines steht sicher nicht auf dem Spiel. Durch vernünftiges Wirtschaften steht der Verein finanziell gesund, ohne Schulden, da. Ein Abstieg in die Oberliga wäre dennoch ein Supergau, nachdem wir vor nicht allzu langer Zeit noch in Liga 3 gespielt haben.

Redaktion: Unser Facebook-Post mit dir allein auf der Auswärtstribüne kam bei den Leuten sehr gut an: Über 5.000 Likes, 600 Kommentare, fast 100-mal geteilt. Sogar „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ teilte das Foto. Alle waren ziemlich begeistert und einige forderten den „Dorfklub“ sogar auf, dich im Mannschaftsbus bei Auswärtsfahrten mitzunehmen. Wir waren über die Resonanz sehr überrascht. Du auch?

Ein Homburger Fan lädt mich beim Rückspiel ein, ein Offenbacher will mir eine Kiste Bier nach Hause schicken und das Team von Altona 93, Stadtteil von Hamburg, freut sich mal auf einen Besuch von mir… Ja klar, ich war ebenfalls sehr überrascht, da ich meine Mannschaft doch „nur“ zu einem Auswärtsspiel begleitet habe. Dies werde ich auch künftig tun – Ligaunabhängig und egal, ob ich alleine oder mit 20 anderen im Block bin.

Wir danken Franky, dass er sich die Zeit genommen hat und wünschen allen Fans der SG Sonnenhof Großaspach alles Gute für die Rückrunde!

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